Nikita muss weiter bangen

Nikita R. - Foto Benjamin Pritzkuleit (Berliner Zeitung)

Am 28. Mai 2024 wurde Nikita im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zu seinen Fluchtgründen angehört. Bereits am 29. Mai 2024 bekam er vom BAMF die ausführliche Ablehung seines Asylantrages. Er wurde aufgefordert die Bundesrepublik innerhalb von 30 Tagen zu verlassen. Sein Aufenthaltsstatus ist damit erloschen. Seine Rechtsanwätin Frau Christina Meusel hat dagegen Klage eingereicht. Wir hoffen, dass die Klage erfolgreich ist und Nikita nicht in den Krieg ziehen muss.

Zur Geschichte von Nikita:

Kurz vor dem Überfall Russlands auf die Ukraine bekam Nikita R. ein Arbeitsvisum für die Einreise in die EU. Kurz darauf verließ Nikita R. Russland und arbeitete in Polen in der Nähe von Katowice. Allerdings spricht er so gut wie kein Polnisch und hat in Polen weder Freunde noch verwandte. Als Russe in Polen wurde Nikita R. nicht sehr freundlich aufgenommen. Ihm wurde mehrmals gesagt, er solle zurück nach Russland gehen.

Im August 2022 erhielt Nikita R. einen Einberufungsbefehl an seine Heimatadresse, der von seiner Oma zu ihm weiter geleitet wurde. Dabei handelte es sich um seine zweite Einberufung als Reservist. Den regulären Wehrdienst hatte er in Russland bereits hinter sich. Aber Nikita will nicht gegen die Ukraine kämpfen und Menschen töten. Auch weil er Verwandte in der Ukraine hat und er der Meinung ist, dass dieser Krieg nicht geführt werden darf. Aufgrund dieser und der Tatsache, dass seine Mutter und sein Stiefvater in Berlin wohnen, reiste er nach Deutschland ein und stellte im November 2022 einen Asylantrag, der aber aufgrund der sogenannten Dublin-III-Verordnung abgelehnt wurde, da Polen, als erstes Einreiseland in die EU, für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig sei.

Nach Angaben von verschiedenen Menschenrechtsgruppen und Flüchtlingsorganisationen in Polen kann man allerdings davon ausgehen, dass ihm in Polen kein Asyl gewährt wird und er damit rechnen muss nach Russland abgeschoben zu werden. Dort würde ihn die Einberufung erwarten und mindestens eine Gefängnisstrafe, weil er seiner Einberufung nicht sofort gefolgt ist. Er müsste in Polen nachweisen, dass er nach seiner Einberufung tatsächlich im Kriegsgebiet in der Ukraine eingesetzt wird und seine Einheit Kriegsverbrechen begeht. Deshalb wurde von seiner Rechtsanwältin Christiane Meusel aus Berlin gegen die drohende Abschiebung beim Verwaltungsgericht geklagt und gleichzeitig vorsorglich in unserer Kirchengemeinde angefragt, ob Nikita R. im Falle einer Abweisung der Klage Kirchenasyl erhalten könne.

Am Gründonnerstag entschied das Verwaltungsgericht die Klage abzuweisen, da keine Gründe vorlägen, dass Polen das Asylverfahren nicht ordnungsgemäß durchführen würde. Seitdem ist Nikita R. bei uns im Kirchenasyl. Wenn Nikita R. in den nächsten sechs Monaten nicht abgeschoben werden kann, muss das Asylverfahren in Deutschland durchgeführt werden, wobei dann die sachlichen Gründe für das Asyl in Deutschland geprüft werden. Bisher wurde lediglich geprüft, ob Deutschland oder Polen für das Asylverfahren zuständig ist. 

Deshalb hat der Gemeindekirchenrat dem 25jährigen russischen Staatsangehörigen Nikita R. Kirchenasyl gewährt. 

Nachtrag 11. September 2023:

Leider gibt es für Nikita, der sich noch in unserem Kirchenasyl befindet, keine guten Nachrichten. Sein Härtefallantrag der Kirchengemeinde wurde abgelehnt und er wurde aufgefordert, die Bundesrepublik nach Polen zu verlassen. Zwischenzeitlich hat die Polizei versucht seiner habhaft zu werden. Wir haben den Eindruck, dass die verantwortlichen Stellen das Kirchenasyl, dass mittlerweile seit 40 Jahren gehandhabt wird, nicht mehr akzeptiert werden soll. Unsere Kirchengemeinde tut alles in Zusammenarbeit mit der Landeskirche um die drohende Abschiebung zu verhindern. Deshalb ist unsere Kirchengemeinde in Zusammenarbeit mit der Rechtsanwältin Christiane Meusel an die Öffentlichkeit gegangen. So hat die Berliner Zeitung und der Tagesspiegel Artikel über den Abschiebeversuch veröffentlicht. und es wird gefragt, warum ein russischer Kriegsdienstverweigerer nicht in Deutschland bleiben darf, obwohl am Anfang des Überfalls Russlands auf die Ukraine viele Politiker, unter anderem Innenministerin Nancy Faser und auch Bundeskanzler Olaf Scholz, russischen Kriegsdienstverweigerern Schutz in Deutschland versprochen haben. Auch der RBB, die ARD und SAT1 (Stand 14. September 2023) haben im Fernsehen darüber berichtet. Nur wenn Nikita es schafft noch bis zum 6. Oktober 2023 in Deutschland zu bleiben, wäre Deutschland und nicht mehr Polen für das Asylverfahren zuständig. Wir wollen beten, dass uns das gelingt und für Nikita eine Bleibemöglichkeit in Deutschland geschaffen werden kann.

Nachtrag 13. Oktober 2023:

Mit heutigem Schreiben teilt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit, dass nach Art. 29 Abs. 2 Satz 1 der Dublin III-VO nunmehr die Bundesrepublik Deutschland für die Bearbeitung des Asylantrages zuständig ist. Dies bedeutet, dass der Gemeindekirchenrat in seiner nächsten Sitzung beschließen kann, dass Nikita aus  dem Kirchenasyl entlassen werden kann, da nunmehr eine Abschiebung nach Polen oder Russland nicht mehr in Frage kommt. Wir beten, dass Nikita letztendlich in Deutschland bleiben kann und ihm Asyl gewährt wird. 

Nachtrag 20. Dezember 2023:

Seit dem 20. Dezember 2023 hat Nikita einen Aufenthaltsstatus für 18 Monate. Er darf arbeiten und seinen Wohnort selbst wählen. Ein erster Erfolg. Wir beten weiter, dass er dauerhaft in Deutschland bleiben darf. Dieser Aufenthaltsstatus ist mit der Ablehunng des Asylantrags erloschen.

> Artikel aus der Berliner Zeitung vom 13. Juni 2024 - Andreas Kopietz (als PDF)

>Link zur Berliner Zeitung (externer Inhalt)

Wolfgang Raack
Vorsitzender des Gemeindekirchenrates

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